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Melanie ist 40, Isa 38 Jahre alt. Beide leben seit 13 Jahren in einer Beziehung und haben gerade das verflixte 7. Ehejahr hinter sich gebracht. Vor vier Jahren wurde ihr Leben um eine Person reicher: Ihren Sohn Florian. Isa hat ihn auf die Welt gebracht, ein Bekannter von ihnen ist der Samenspender. Florian hat zwei Mamas und einen Papa.

Die Frage nach dem Kinderwunsch

Die kleine Familie wohnt in einem Haus südlich von Wien, Florian besucht den Kindergarten, Melanie und Isa sind beide berufstätig. Die Frage, ob sie Kinder wollen, war nicht immer klar. Bei einem gemütlichen Frühstück während ihres Urlaubs in Frankreich stand die Entscheidung fest: „Wir machen das!“ Ob es funktionieren wird, war jedoch nicht klar, die Erfolgschancen für eine Schwangerschaft bei einer Insemination liegen bei gerade einmal 15%.

Die Frage nach dem „Wie“ war jedoch sehr schnell klar: eine Kinderwunsch-Klinik in Wien sollte die Insemination durchführen. Jetzt musste nur noch der rechtliche Teil abgeschlossen werden, ein Besuch beim Notar brachte Sicherheit, dass beide Frauen gleichberechtigte Elternteile für das Kind sind.

Nächster Schritt? Wer: Samenbank – Ja oder Nein?

Die ersten Besuche auf den Webseiten von Samenbanken führten nicht zum gewünschten Ergebnis. Eine Samenbank war also keine Option. Was nun? Isa hatte die Idee, einen guten Bekannten der beiden zu fragen. Sebastian hatte ein sehr ähnliches Wertesystem, war schlau und fesch. Auch wäre es mit ihm möglich, dass das Kind eine Beziehung zu seinem/ihrem Vater haben könnte, wenn beide das dann auch möchten.

Gesagt getan! Sebastian wurde zum Essen eingeladen, es wurden ca. ein Jahr lang Gespräche geführt und Erwartungen geklärt und am Ende waren sich alle einig, dass sie es versuchen wollten. Sebastian sollte eine Rolle im Leben des Kindes haben, nicht die Paparolle, aber die Rolle eines Onkels. Sebastian hat keine Rechte und Pflichten.

Und dann ging es plötzlich ganz schnell, alle medizinischen Vorbereitungen waren abgeschlossen und quasi von heute auf morgen war das Fenster da, den Versuch zu wagen. Unglaublich aber wahr – der erste Versuch war erfolgreich und 9 Monate später kam der kleine Sonnenschein auf die Welt.

Die Zeit nach der Geburt

Zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes waren beide Frauen voll berufstätig. Melanie leitete eine Marketingabteilung in einem Konzern, Isa arbeitete bei einem IT-Unternehmen und war 4 Tage die Woche im Ausland unterwegs. Es war für beide ganz normal, 80 Stunden die Woche zu arbeiten. Und es war auch für die beiden ehrgeizigen Frauen klar, dass sie beide Vollzeit weiterarbeiten werden. Sagten Sie jedenfalls, bevor ihr Sohn auf der Welt war….

Nach der Geburt änderte sich, wenig überraschend, alles. Beide kündigten Ihren Job, Melanie fing ein Medizinstudium an und arbeitet außerdem für ein Unternehmen im medizinischen Bereich. Isa arbeitet heute in Österreich. Zuviel Zeit ging verloren, in der sie die Entwicklungen des Kindes verpassten. Heute haben beide das Glück, einen modernen Arbeitgeber zu haben, der die Flexibilität, die das Elternsein erfordert, voll unterstützt. Beide wissen das sehr zu schätzen! Der zweite Glücksfall ist der starke familiäre Rückhalt von Isas Eltern und die Unterstützung durch die Leihoma, die zufällig die Mutter von Isas bester Freundin ist. Florian ist seit seiner Geburt in einem liebenden Umfeld, auf dass sich auch die beiden Mamas voll verlassen können.

„It takes a village to raise a child“ stimmt in dem Fall voll und ganz. Nur so schafft es die kleine Familie, eine gute Balance zwischen Arbeitszeit und Familienzeit zu finden.

Ich habe zwei Mamas!

– Florian –

Zwei Mamas und ein Papa

Der Kontakt zu seinem Papa, wie Florian ihn auch selbst nennt, besteht und ist sehr gut. Man sieht sich einmal alle 1-2 Monate, macht Ausflüge oder trifft sich einfach auf dem Spielplatz im Alten AKH. Dass Florians Familiensituation nicht unbedingt gewöhnlich ist, weiß er nicht. Mit der größten Selbstverständlichkeit korrigiert er wildfremde Personen, die von einer Mama sprechen: „Ich habe zwei Mamas“. Diese Selbstverständlichkeit ist so inspirierend, dass es im Umfeld der Familie wenig kritische Stimmen gibt – obwohl sie in einem kleinen konservativen Ort wohnen.

Wer das Kind geboren hat, ist übrigens immer nur für die Außenwelt relevant, in der Familie spielt es keine Rolle. Wie wenig negative Stimmen es gibt, hat die beiden anfangs überrascht. Mittlerweile sind sie zu der Erkenntnis gekommen, dass die Offenheit und Natürlichkeit, mit der sie leben, wohl auch auf Offenheit stößt. Es gibt keine Fragen zur Entstehungsgeschichte von Florian, die nicht beantwortet werden, warum auch nicht. Wie soll die Gesellschaft sonst offener werden?

Wenn er um 3 in der Früh wach wird, weil er Schmerzen hat oder schlecht geträumt hat, stellt sich nicht die Frage, wer ihn auf die Welt gebracht hat. Ich bin für mein Kind da. Punkt.

– Isa –

Ein neues Zeitalter bricht an

Wie jede Beziehung mit Kind, hat sich auch die Beziehung der zwei Frauen verändert. Die klassischen Streitereien, die sie aus ihrem Hetero-Umfeld kennen, sind auch bei ihnen aufgetreten.

Das erste Jahr war hart. Schlafmangel, ein Wesen, dass alle Aufmerksamkeit braucht, aber nicht sagen kann, was es will, stellt alles auf den Kopf. Alle Regeln und Abläufe, die bis dahin in der Paarbeziehung funktioniert hatten, galten nicht mehr. (Wäsche, Geschirrspüler, Einkauf). Man musste einige Krisen bewältigen, dank der guten Gesprächsbasis wurde aber immer eine Lösung gefunden.

Der Fokus im Leben der beiden Mamas hat sich grundlegend geändert. Teure Urlaube, Hauben-Restaurants oder Shopping-Ausflüge nach Italien waren nicht mehr wichtig. Die gemeinsame Zeit als Familie ist nun das, was zählt.

Ergänzende Stärken

Die größte Stärke der kleinen Familie kommt vermutlich aus der Unterschiedlichkeit der zwei Mamas. Isa ist geduldiger, überlegter und improvisiert viel. Melanie ist schnell, effizient und sachorientiert, betrachtet aber, seit Florian das erste Mal seine Augen aufgeschlagen hat, die Welt aus einer anderen Perspektive

Das Wichtigste für beide ist, dass die Erziehung auf dem gleichen Wertesystem beruht. Florian soll ein weltoffener, fröhlicher und selbstbewusster Erwachsener werden, der auf andere Rücksicht nimmt.

So ergänzen sich die zwei und lernen voneinander. Unerlässlich ist auch, dass sie für Florian einheitliche, klare Regeln haben und sich nicht vor seinen Augen widersprechen. Hier wenden sie einen kleinen Trick an und unterhalten sich bei Unstimmigkeiten miteinander auf Englisch, bis das Problem geklärt wurde und sie einer Meinung sind. Dann wird wieder Deutsch mit Florian gesprochen.

Mit seiner Geburt hat sich alles verändert – auf einmal spaziert mein eigenes Herz einfach so außerhalb deines Körpers herum.

– Melanie –

Abschließende Worte

Manchmal muss man wagen und in die vermeintliche Unsicherheit springen. Dort wo man landet, ist alles neu und ungewohnt. Es ist manchmal rumpelig und klarerweise gibt es schwierige Momente. Aber hey! Das ist das Leben und am Ende wird alles gut.

Anmerkung der Redaktion: Die Story des Papas Sebastian gibt’s hier zu lesen.