Lesezeit: 3 Minuten
LET’S TALK ABOUT

Sich bei seinen Kindern zu entschuldigen

Klar ist, kein Mensch, egal ob Erwachsener oder Kind, ist unfehlbar. Auch wir Eltern sind nicht perfekt und verhalten uns unserem Kind gegenüber manchmal falsch, dann wird auch schon mal geschrien. Die wenigsten Eltern wollen ihr Kind anschreien. Stress im Job, der Partner, der vergessen hat, den Mist rauszubringen oder die beste Freundin, die mal wieder anmerkt, dass man doch mehr Zeit für sie haben sollte: Das alles sind Faktoren, die den Geduldsfaden zum Reißen bringen können. Dies war auch bei Vicci der Fall, mehr davon in ihrer Kolumne. Hinterher tut uns dieser verbale Ausrutscher natürlich leid. Was tut man jetzt? Sich beim Kind entschuldigen? Ist das nicht ein Zeichen von Schwäche?

Wir haben zwei Eltern nach ihrer Meinung gefragt:

Marvin, 43 Jahre, geschieden, 2 Kinder,  8 und 10 Jahre alt

Ob ich meine Kinder schon einmal angeschrien habe? Ja, absolut. Aber das hat doch jeder Papa oder jede Mama schon einmal oder? Natürlich war das nicht immer richtig und es hat mir im Nachhinein auch oft leid getan, aber wirklich entschuldigt habe ich mich nicht. Ich wollte als Papa meine Autoritätsrolle nicht verlieren und hatte die, wahrscheinlich unbegründete, Angst, dass meine Kinder dann keinen Respekt mehr vor mir haben. Wahrscheinlich bin ich hier sehr von meinen Eltern geprägt worden, die haben sich nie für ein Fehlverhalten ihrerseits entschuldigt, dafür waren sie viel zu stolz.

Ich habe meinen Vater vergöttert, weil er so unfehlbar war…

Vor allem meinen Vater habe ich vergöttert, vielleicht auch deshalb, weil er eben so unfehlbar gewirkt hat. Alles, was er gesagt oder getan hat, war richtig so. Jetzt hinterfrage ich dieses Verhalten natürlich. Gerade auch während der Scheidung hat sich einiges aufgestaut und es wurde viel geschrien, das tut mir im Nachhinein leid. Da wurde die schlechte Laune sicher auch mal an den Kindern ausgelassen, das war nicht richtig. Aber sich im Nachhinein zu entschuldigen macht ja auch keinen Sinn mehr oder?

Sabine, 45, verheiratet, einen Sohn, 4 Jahre alt

Als ich mich das erste Mal bei meinem Sohn entschuldigt habe, hat er mich ganz ungläubig angesehen. Und dann angefangen zu weinen und mich umarmt. Da habe ich erst gemerkt, wie sehr ihn unser banaler Streit belastet hat. Ich weiß nicht mal mehr, worum es wirklich ging. Ich weiß nur, dass ich gestresst war und er mich genervt hat. Und dann habe ich ihn angeschrien. Ich denke, wenn man den Kindern nicht zeigt, dass gerade die Erwachsenen einen Fehler gemacht haben, suchen sie die Schuld bei sich selbst.

In der Regel sind die Kinder gar nicht das Problem…

Obwohl die Kinder in der Regel nicht das Problem sind, oft liegen die Ursachen für die Überforderung ganz woanders. So war das auch bei uns. Und es wird immer wieder Situationen geben, in denen ich nicht richtig reagiere, wichtig ist, dass man sich sein eigenes Fehlverhalten eingesteht und nicht zu stolz ist, sich bei den eigenen Kindern zu entschuldigen. Das musste ich aber auch erst lernen.