Lesezeit: 6 Minuten

Lissi, Fabian und ihre zwei Söhne Jonas und Theo

Lissi, Fabian und ihre zwei Söhne Jonas (10 Jahre) und Theo (8 Jahre) haben die letzten 10 Jahre in Istanbul und Österreich verbracht – ein Leben voller Veränderung, Abenteuer, Freundschaften aus aller Welt, aber natürlich auch voller Herausforderungen.

Kulturunterschiede

Alles anders als geplant

So hatten sich Lissi und Fabian das eigentlich nicht vorgestellt! Aber manchmal laufen die Dinge eben anders als geplant: So saß nun der zukünftige Vater in Istanbul, während bei der werdenden Mutter in Wien die Wehen einsetzten. Eigentlich war der Plan gewesen, schon zwei Jahre davor beruflich bedingt nach Istanbul zu ziehen, aber dann hatte alles etwas länger gedauert. Und eigentlich hatten sie auch schon früher ein Kind gewollt, aber auch das hatte länger gedauert. Nur mit der Geburt ging es dann dafür etwas schnell und Jonas wollte schon drei Wochen früher als geplant das Licht der Welt erblicken.

Mit einem Neugeborenen in Istanbul

Zwei Monate nach der Geburt war es dann endlich so weit, und die Familie war endlich wieder vereint – mit einem Neugeborenen in Istanbul! Aber wie ist es so – in einem Land mit einer anderen Kultur, einer anderen Sprache, ohne nahestehende Familien und Freund. In den ersten Monaten waren die beiden so sehr mit ihrem Neugeborenen beschäftigt, dass das Eingewöhnen in der neuen Umgebung mehr oder weniger nebenbei ging. Beim Spazierengehen mit dem Baby lernten sie andere Expats kennen, tauschten Tipps über Ärzte, Geschäfte, Lokale, Kindergarten usw. aus und machten jedes Wochenende Ausflüge, um die bemerkenswerte Stadt besser kennen zu lernen. Und plötzlich waren sie mittendrinnen, angekommen, zu Hause, eingegliedert in die Expat-Community mit so vielen wunderbaren Menschen aus aller Welt.

Kulturunterschiede

Sprachliche und kulturelle Unterschiede

Die unglaubliche Großstadt mit dem irren Verkehr, den sprachlichen Barrieren und den kulturellen Unterschieden trieb sie vor allem zu Beginn oft an die Grenzen ihrer Belastbarkeit. Zum Beispiel fragte Fabian irgendwann, warum Lissi immer ein ganzes Kilo Faschiertes nach Hause brachte, wo sie doch nur zu zweit mit Baby waren. „Ich weiß nicht, wie man ein halbes Kilo auf Türkisch sagt“, meinte Lissi, „ich kann nur 1 Kilo bestellen.“ Es waren genau solche Kleinigkeiten die es am Anfang schwer erschienen ließen, aber irgendwann fassten sie den Entschluss, alles „step by step“ an zu gehen. Aus kleinen Erfolge – wie ein halbes Kilo Faschiertes zu bestellen – wurden Meilensteine, denn irgendwann funktionierte sogar das Einkaufen am Markt, wo man alles bestellt, handelt und dann auch plaudert. Und so wurden aus geplanten zwei Jahren in Istanbul, schlussendlich fünf.

„Warum bringst du immer so viel Fleisch mit nach Hause? Ich weiß nicht, wie man ein halbes Kilo auf Türkisch sagt, ich kann nur 1 Kilo bestellen.“

– Lissi –

Ein Koffer voller Vorurteile

„Wenn ich ehrlich bin, sind wir das erste Mal mit einem Koffer voller Vorurteile nach Istanbul geflogen, um uns ein Bild zu machen, wie und wo wir leben werden. Aber keines dieser Vorurteile hat sich bestätigt!“, meint Lissi. Sicher, die Kultur ist eine andere, aber genau das war auch der Reiz und sie haben es geliebt in diese andere Kultur einzutauchen und sich davon inspirieren zu lassen. Lissi hat sich als Frau kein einziges mal unwohl oder schlecht behandelt gefühlt, auch wenn die türkischen Männer ihr als Frau nie die Hand gegeben haben – aber wer schüttelt heutzutage schon noch Hände. Fabians Arbeitsgeber hat bevor sie übersiedelt sind ein „Interkulturelles Training“ für beide organisiert, wo sie genau über solche Feinheiten aufgeklärt wurden. Istanbul ist eine sehr westliche Stadt, modern und offen. Kopftuch tragen dort die wenigsten Frauen und auch Lissi tat das, wie alle anderen Frauen, nur beim Betreten einer Moschee.

Zweiter Sohn Theo wurde in Istanbul geboren

„Wir hatten eine tolle Zeit und sehen es als großen Mehrwert, dass unsere Kinder – unser zweiter Sohn wurde zweieinhalb Jahre später in Istanbul geboren – in diesem Umfeld aufgewachsen sind, im Kindergarten Englisch gesprochen haben, eine andere Kultur erleben durften und Freunde gefunden haben, die jetzt in Peking, Dubai, Berlin, Madrid, Santiago de Chile usw. leben. Wir konnten so viele schöne Plätze entdecken und haben gelernt, dass wir da zu Hause sind, wo wir gerade leben, wo wir uns wohl fühlen und wo unser Herz ist“, so Lissi über die fünfjährige Zeit in Istanbul.

Kulturunterschiede

Umzüge und Kindergartenwechsel

Mehrere Umzüge und auch Kindergartenwechsel (Jonas zog mittlerweile vier Mal um und besuchte drei verschiedene Kindergärten, bei Theo waren es nur drei Umzüge und zwei Kindergärten) bereiteten den Eltern immer am meisten Kopfzerbrechen. Aber vor allem kleine Kinder schnappen alle Gefühle, Stimmungen und Ängste der Eltern auf. Wenn es also die Eltern schaffen, der neuen Situation locker und positiv zu begegnen, schaffen es auch die Kinder. Beide Söhne fühlten sich geborgen und sicher, auch in einem Haus das Anfangs nur mit Matratzen eingerichtet war, denn es sind die Eltern, die ihnen das Gefühl geben, zu Hause zu sein, und nicht Möbel oder Spielsachen. Auch der Einstieg in den neuen Kindergarten oder die neue Schule fiel ihnen leicht, sie schlossen neue Freundschaften, weil sie früh lernten, dass es aufregend und bereichernd ist, neue Menschen kennen zu lernen.

Zurück in Österreich – und bereit für neue Abenteuer

Mittlerweile sind die Kinder 8 und 10 Jahre alt, die Familie lebt seit 5 Jahren wieder in Österreich. Lissi und Fabian wissen nicht, was ihnen das Leben und die nächsten Jahre noch bringen wird, welche Wege sie gehen und wo sie vielleicht noch leben werden, aber das ist okay so. „Das Leben ist Veränderung und wir versuchen unseren Kindern mitzugeben, dass das etwas Positives ist, auch wenn es manchmal Angst macht. So werden sie hoffentlich selbst ein abwechslungsreiches Leben haben, voller Abenteuer und Herausforderungen. INSALLAH – wie die Türken sagen!“, meint Lissi zum Abschluss.

„Das Leben ist Veränderung und wir versuchen unseren Kindern mitzugeben, dass das etwas Positives ist, auch wenn es manchmal Angst macht.“

– Lissi –

Interview mit Lissi im April 2021.