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Jenny & Philip mit ihren Kids Nunu* & Schmusolina* aus Wien.

Mit Kindern ist das Leben nicht vorbei, im Gegenteil: Philip, Jenny und ihre zwei Kinder Nunu* (5 Jahre) und Schmusolina* (1,7 Jahre) bereisen gemeinsam die Welt und erleben so ihre gemeinsame Familienzeit ganz bewusst. Ein Leben zwischen Flughäfen, Airbnb’s, Remote Work, Zeitverschiebung und Abenteuern.

Wie man Teilzeit-Digitaler Nomade wird

Jenny hatte einen siebenwöchigen Sohn, als sie das erste Mal alleine mit Baby verreiste und Zypern im öffentlichen Bus erkundete – und bemerkte, dass es nicht so aufwändig und kompliziert war, wie sie es erwartet hatte. Sie kam mit vielen Leuten ins Gespräch und genoss die Zeit sehr. Damit war der Startschuss für ein Leben auf Reisen gefallen. Noch im selben Jahr war die Familie in Amsterdam, in Dubai und im Oman, in einigen Europa-Destinationen und auf Hochzeitsreise in Südostasien. Bereits auf ihrer Zypern-Reise bemerkte Jenny, wie viele Fragen sie zum Reisen mit Baby bekam und ob sie Tipps für andere Eltern hätte. So entstand die Idee für den Reise-Blog nunu-reist.at, der nach einem Jahr gelauncht wurde und spezielle Tipps für Reisen mit Kindern bereithält. Mittlerweile ist Nunu 5 Jahre alt und bereiste bereits 68 verschiedene Länder. „Was wir mit unserem Blog erreichen wollen, ist, zu sagen: Das Leben ist mit Kindern nicht vorbei, man kann weiterreisen. Es ist anders, aber wunderschön – anders gar nicht im negativen Sinne, sondern man hat andere Begebenheiten, die man aber im „normalen“ Alltag als Eltern genauso hat“, betont Jenny. Die Familie hat ihren Hauptwohnsitz in Wien, ist aber einen großen Teil des Jahres auf der ganzen Welt unterwegs. Philips selbständiger Job im Interimsmanagement für Marketing und Vertrieb sowie Jennys Blogger-Karriere erlauben ihnen, von überall remote zu arbeiten und so viele Länder zu bereisen. Jenny befindet sich als Volksschullehrerin derzeit in Bildungskarenz, davor war sie mit den beiden Kindern in Mutterkarenz.

Reisen vs. Urlaub

Jenny und Philip werden oft mit der Frage konfrontiert, wie sie sich die vielen Reisen leisten können. Für Jenny ist es hier wichtig, einen Unterschied in der Definition von Reisen und Urlauben zu machen. Ihre Definition von Reisen – wie sie sich ihren Lebensstil auch leisten können – ist, so viel wie möglich über die Kultur zu erfahren, das Land zu entdecken, herumzukommen und nicht nur an einem Ort zu bleiben. Das findet weitgehend im Lower budget-Bereich statt. Urlaube hingegen definiert sie, an einem Ort zu sein und sich beispielsweise in Form eines All inclusive-Urlaubs verwöhnen zu lassen, was sie sich nicht leisten könnten.

Der Alltag auf Reisen

Einen klassischen Alltag in dem Sinne gibt es auf Reisen nicht, dieser kommt immer auf die Destination und die Unterkunft an. Die Unterkünfte sind entweder Apartments, Airbnb‘s, Hotels oder auch – vor Coronazeiten – Couchsurfing. Montags bis mittwochs steht Philip um halb fünf auf und beginnt, zu arbeiten. Seine Arbeit 3-4 Tage pro Woche ist Part of the Deal, damit die Familie so viel unterwegs sein kann. Jenny und die Kinder schlafen meistens bis ca. 8:00-9:00 Uhr, weil sie lange wach sind. Nach dem Aufstehen geht Jenny mit Nunu und Schmusolina entweder frühstücken oder sie bereitet ihnen ein Frühstück im Apartment zu. Bis ca. 14:00/15:00 Uhr, während Philip arbeitet, ist Jenny dann alleine mit den Kindern unterwegs – entweder am Strand oder Pool oder bei einer Stadterkundung. Dazwischen gehen alle gemeinsam Mittagessen. Schmusolina macht dann meistens ihr Mittagsschläfchen im Buggy.

Am Nachmittag unternehmen die vier alle gemeinsam verschiedene Ausflüge oder Aktivitäten. Abends gehen sie gegen 20:00 Uhr Abendessen und danach noch – je nach Gegebenheiten vor Ort – auf einen Spielplatz spielen. Wichtig ist den beiden vor allem, untertags sehr bewusst im Moment zu leben und eine schöne Zeit mit der Familie zu genießen – das Handy befindet sich oft im Flugmodus oder wird weggelegt.

Positive Prägung, stressige Momente

Inwiefern sich das Reisen auch positiv auf die Entwicklung der Kinder auswirkt, lässt sich beim 5-jährigen Nunu gut erkennen. „Er ist sehr offen und redet sehr gerne. Andere Leute, die er kennen lernt, sind immer wieder begeistert davon, wie aufmerksam er ist und wie er gleich mit jedem zu reden beginnt. Er ist sehr wissbegierig und sein Interesse wird schnell geweckt. Auch die Pädagogen im Kindergarten sagen, dass er sehr offen und empathisch ist, gut auf andere Kinder eingeht und es gewohnt ist, zu teilen“, beschreibt Jenny den Charakter ihres Sohnes. Ein Reise-Erlebnis, an das sich Nunu gerne erinnert, ist die gemeinsame Zeit in Neuseeland Ende 2019. Während sie dort waren, lernten sie zwei andere deutschsprachige Familien mit Kindern kennen, mit denen sie sich anfreundeten. Ein Highlight war, gemeinsam im Meer Austern zu pflücken, diese zu einer leckeren Muschelpasta mit Tomatensauce zu verarbeiten und gemeinsam zu essen. Eine der anderen Familien fing außerdem beim Fischen einen Hai – ein einprägsames Erlebnis für den damals 4-Jährigen.

Natürlich kann das Reisen mit Kindern auch manchmal stressig oder schwierig sein, so wie jeder Alltag mit Kindern. Für Jenny hängt dies vor allem mit der eigenen Tagesverfassung und der eigenen Geduld zusammen. Stressige Momente gibt es hauptsächlich in der Reise-Vorbereitung, aber auch manchmal bei langen Reisen. Als die Familie nach Neuseeland flog, waren sie insgesamt zwei Tage unterwegs – ohne zu schlafen. Dass die Eltern mit Jetlag dann auch mal etwas ungeduldig oder gestresst auf ihre ebenso geschlauchten Kinder reagierten, ist nachvollziehbar.

Pläne für die Zukunft

Derzeit befindet sich die Familie in Mexiko – wie lange noch, wird spontan entschieden. An jedem Ort bleiben die vier so lange, wie es ihnen gefällt. Auch die weitere Reiseroute wird flexibel gestaltet. Vielleicht geht es danach weiter nach Guatemala, vielleicht auch nach Costa Rica. Die nächsten Reiseziele bleiben ebenso – gerade jetzt in Corona-Zeiten – bis zuletzt offen und veränderbar. Ausgewählt werden diese nach der aktuellen Sicherheits- und Pandemielage eines Landes und danach, wie viel Zeit sich die Familie für eine Reise nehmen kann und will. Flexibilität steht damit an oberster Stelle, wenn es um Pläne für die Zukunft geht: Digital Nomads eben.

*Namen für das Internet geändert

Interview mit Jenny & Philip im März 2021.