Lesezeit: 7 Minuten

B. erzählt uns in dieser Story über ihr Familienleben, in dem der Krebs seit Jahren allgegenwärtig ist. Es scheint, als ob diese heimtückische Krankheit bereits festes „Familienmitglied“ ist. Unterkriegen ließen sich B. und ihre Familie jedoch nie, auch wenn sie bereits einmal den Kampf gegen den Krebs verloren haben. Wie sie mit der Krankheit umgehen, erzählt uns B. in ihrer Story – eine Familiengeschichte der etwas anderen Art.

Der erste Krebsfall – Gefühlscocktail aus Traurigkeit bis hin zur Wut

Als vor Jahren der erste Krebsfall bei der Mutter auftrat, kamen B. und ihre Familie erstmals in Kontakt mit dieser heimtückischen Krankheit. Mit der Krebsdiagnose nahm ein wahrer Rausch von Gefühlen seinen Lauf. Verzweiflung und Angst waren die Anfangszutaten des Gefühlscocktails. Nach weiteren Untersuchungen und Arztgesprächen mischten sich langsam Zuversicht und Mut hinzu. Spätestens vor der Operation kam dann auch die Wut, die dazu beitrug, dem Krebs den Kampf anzusagen. Es war ein langer und mühsamer Weg, den die Familie gemeinsam bestritt.

zusammenhalt
Familienleben im Ausnahmezustand

Ein Familienleben im Ausnahmezustand folgte für die nächsten Monate. Mit der Diagnose kam die Familie erstmals mit den Begriffen Operation, Chemo und Bestrahlung in Berührung. Zum Glück verliefen die Behandlungen gut. Für alle Familienmitglieder war es eine schwierige Zeit. Die Mutter hatte ihren „Behandlungsplan“. Viel zum Nachdenken kam sie währenddessen nicht, sie handelte und ließ die anstrengenden Behandlungen über sich ergehen. Aber was war mit den übrigen Familienmitgliedern? Diese hatten keinen Fahrplan durch diese Wahnsinnszeit. Psychologische Unterstützung wurde der Mutter im Krankenhaus angeboten, die Familienmitglieder kämpften damals alleine mit ihren Gefühlen. Aus Rücksicht auf die Mutter oftmals im Verborgenen. Zum Glück ging aus diesem Kampf die Mutter als Gewinnerin hervor – fürs Erste zumindest!

Wenn der Krebs doppelt zurückschlägt

Leider ließ der Krebs nicht lange auf sich warten, nach ein paar Jahren kam er bei der Mutter auf leisen Sohlen wieder zurück. Ein „Déjà-vu“ von Gefühlen folgte. B. und ihre Familie fühlten sich um Jahre zurückversetzt, als damals alles mit der ersten Krebserkrankung begann. Aber gemeinsam kämpften sie sich wieder erfolgreich durch diese Zeit. Und danach sollte doch endlich wieder Ruhe einkehren, oder? Meinten B. und ihre Familie zumindest. Doch der Krebs wollte seine Niederlagen nicht einstecken und suchte sich ein paar Jahre darauf ein neues Opfer aus. Dieses Mal war es B. selbst, die von der Krankheit kurzeitig in die Knie gezwungen wurde. „Man ist so naiv zu denken, dass man durch eine gesunde Lebensführung und regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen vor einer Krebserkrankung gefeilt ist.“

Man ist so naiv zu denken, dass man durch eine gesunde Lebensführung und regelmäßigen Vorsorgeuntersuchungen vor einer Krebserkrankung gefeilt ist.

– B. –

„In erster Linie kämpft man zum Schutz der Familienangehörigen“

Für B. begann mit der Diagnose auch ein Kampf, den sie zum Schutz für ihre Familienangehörigen aufnahm. An den Wortlaut des Arztes nach der Ultraschalluntersuchung konnte B. sich erinnern, als ob es gestern gewesen wäre. Nüchtern und kühl meinte dieser: „Das Ultraschallbild ist für mich wie ein offenes Buch“. Keine mitfühlenden Worte, keine tröstende Hand! Und vor der Tür wartete B.´ Vater, der diese Diagnose bei seiner Frau bereits zwei Mal zu hören bekam. Wie also dem Vater gegenüber verhalten? Obwohl B. zum Heulen zumute war, riss sie sich innerlich zusammen und brachte Stärke auf, als sie ihrem Vater ganz nebenbei mitteilte, dass es Krebs sei. Sie tat es ab wie eine vorübergehende Grippe. Zu ihrem eigenen Schutz und dem ihres Vaters.

In erster Linie kämpft man zum Schutz der Familienangehörigen.

– B. –

Diagnose Krebs – der richtige Umgang mit Kindern

Ihr zweiter Gedanke galt ihren Kindern, sie fragte sich, wie sie sämtliche Behandlungen und die Kinderzeit unter einen Hut bringen sollte. Die Kinder waren damals gerade erst vier und sechs Jahre alt gewesen. Hatten gerade erst den Krebstod einer familienfremden Person miterlebt. „Es zerreißt einem das Herz, wenn Dein vierjähriges Kind abends vor dem Schlafengehen fragt: Mama, stirbst Du jetzt auch? Du hast ja auch eine Glatze wie Frau V., die gestorben ist“. B. erklärte ihren Kindern, dass ihre Haare wegen der starken Medikamente ausfallen würden. Und dass die Medikamente sie wieder gesund werden ließen. B. war es immer wichtig, offen und ehrlich mit ihren Kindern über die Krankheit zu sprechen, auf Kinderniveau, um ihnen so die Angst vor dem Ungewissem zu nehmen. In dieser schwierigen Zeit waren B.´ Mann und ihre Eltern B. eine große Unterstützung.

Es zerreißt einem das Herz, wenn Dein vierjähriges Kind abends vor dem Schlafengehen fragt: Mama, stirbst Du jetzt auch? Du hast ja auch eine Glatze wie Frau V., die gestorben ist.

– B. –

Wenn der Krebs siegt

Ein paar Jahre nach B.´ Erkrankung, wurde bei ihrem Bruder Krebs im Endstadium diagnostiziert. Einen Tag vor dem runden Geburtstag der gemeinsamen Mutter. Auch der Bruder schützte die Familie auf seine Art und Weise. Er teilte die Diagnose der Mutter und der restlichen Familie nicht mit, um ihnen eine schöne Geburtstagsfeier zu ermöglichen. Leider verstarb B.´ Bruder genau ein halbes Jahr nach der Diagnose. Zuzusehen, wie der Krebs über ein Familienmitglied siegte, war für B. die bisher traurigste Erfahrung in ihrem Leben. Und wieder ein paar Jahre später erkrankte auch noch der Vater an Krebs. Die Diagnose war ein Schock, war der Vater doch immer eine Art Fels in der Brandung. Er hielt bei allen Krebserkrankungen das Familiensystem zusammen. Zum Glück war seine eigene Erkrankung heilbar! Durch die vorangegangenen Krebserkrankungen ging man schon etwas routinierter mit der Thematik um.

Der Gewinn nach überstandener Krebserkrankung

B. sieht ihre Krebserkrankung im Nachhinein nicht nur negativ. Sie verhalf ihr, Verhaltensweisen an sich zu entdecken, die sie zuvor nicht kannte – innere Stärke, Kampfgeist. „Es lohnt sich zu kämpfen. Ich hatte immenses Glück und landete auf der Sonnenseite der Erkrankung. Ich sah mich selbst eigentlich nie in der Opferrolle des Krebses. Es gibt Menschen, die so viel härtere Schicksale erleiden.“ B. möchte mit ihrer Story Menschen, die von ähnlichen Schicksalen betroffen sind, Mut zu sprechen. „Natürlich gab es während der Chemozeit Tage, an denen man nur mehr ein Schattendasein führen möchte. Schmerzen, Angst und Verzweiflung übernahmen das Steuer. Aber danach folgten wieder Tage, an denen sich der Kampfgeist aufrappelte. Es waren die Kinder und mein Mann, für die es sich lohnte zu kämpfen!“ Auch B.´ Sichtweisen auf viele Dinge im Alltag haben sich seither geändert. Eine gewisse Leichtigkeit und Flexibilität stellten sich ein.

vorwärts schauen
„Wahre Freund fürs Leben entdeckst Du während einer Krankheit“

Dass man wahre Freunde fürs Leben während einer bösartigen Krankheit entdeckt, weiß B. nur zu gut. „Da war an erster Stelle die wunderbare Freundin aus Wien. Nachdem ich ihr telefonisch die niederschmetternde Diagnose mitteilte, wollte sich sofort ins Auto setzen und die über 300 Kilometer lange Fahrt in Kauf nehmen, nur um mich im Arm zu halten.“ Die Gespräche und aufmunternden Worte der Freundin waren für B. tausendmal besser, als jedes Gespräch mit der Psychologin des Krankenhauses. Oder die liebe Schwägerin, die nach dem Krankenhausaufenthalt B. und ihre Familie tagelang mit gekochten Essen versorgte. Und ohne die Unterstützung ihres Mannes und ihrer Eltern, wäre alles nicht bewältigbar gewesen. Mitleidsbekundungen hingegen halfen B. überhaupt nicht.

Was B. Menschen in ähnlichen Situationen noch mitteilen möchte

„Was die Erkrankung anging, ging ich stets offen und ehrlich mit meiner Familie und meinen Mitmenschen um. Einige Mitmenschen haben sich von mir abgewandt, Freunde für die Ewigkeit wurden dazugewonnen. Es kommt bei den zwischenmenschlichen Beziehungen nicht auf Quantität, sondern auf Qualität an. Anmerken möchte ich auch, dass dies meine Art des Umganges mit der Erkrankung war und ist. Andere Personen mit einer Krebserkrankung möchten lieber nicht offen darüber sprechen. Dass, finde ich, ist dann zu respektieren. Jeder Mensch ist anders und darauf sollten wir Rücksicht nehmen. Seid aber füreinander da und traut euch, die Hand zur Hilfe anzubieten!“

Interview mit B., Juli 2021

Anmerkung der Redaktion: Marion hatte eine ähnliche Story zu diesem Thema, hier mehr dazu lesen.