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Elisabeth wohnt mit ihrem Mann, ihrem 8-jährigen Sohn Samuel und ihrer 18-jährige Tochter in Kärnten. Bei Samuel wurde vor 5 Jahren frühkindlicher Autismus diagnostiziert. Eine Diagnose, die das Leben der Familie grundlegend geändert hat. Samuel ist speziell, aber dadurch nicht weniger wertvoll.

Frühkindlicher Autismus

Was ist überhaupt Autismus? Um diese Frage zufriedenstellend beantworten zu können, müsste man zu weit ausholen. Autismus-Spektrums-Störungen sind tiefgreifende Entwicklungsstörungen, die sich unterschiedlich bemerkbar machen. Bei Samuel kam die Diagnose mit drei Jahren. Als Mutter hat Elisabeth aber schon früher gemerkt, dass sich Samuel anders entwickelt als andere Kinder. Das hat sich vor allem durch die fehlende Sprachentwicklung bemerkbar gemacht. Mit 18 Monaten konnte er zwar einige Wörter sagen, das einzige Wort, was er jedoch bis jetzt bewusst ausgesprochen hat, war das Wort „Katze“. Andere Worte wie „Mama“ oder „Papa“ hat er einfach nur nachgeplappert.

Für Elisabeth waren schon so viele Anzeichen früh erkennbar: Der fehlende Blickkontakt, Samuels Faszination für drehende Dinge, die ungezügelten lauten Freudenschreie. Es wurde Dr. Google befragt, Bericht über Bericht gelesen und sich Rat bei einer Freundin gesucht, die auch einen autistischen Sohn hat.

Im Alter von zwei Jahren war die Sprachstörung schon so weit ausgeprägt, dass sogar der Kinderarzt, der die Mutter immer belächelt hatte, einsehen musste, dass Samuel ein besonderes Kind ist.

Autismus
Die Zeit nach der Diagnose

Nach der Diagnose besuchte Samuel einen Förderkindergarten und ist momentan auf einer Förderschule. Dies sieht Elisabeth als großes Geschenk. Ihre Bekannten, die am Land leben, hatten nicht das Glück, eine geförderte Betreuungs- und Ausbildungsstätte für ihr autistisches Kind zur Verfügung zu haben. Es kamen tägliche Anrufe von der Lehrerin, man möge das Kind bitte abholen, es störe die anderen Kinder und sei laut. Sobald ein Kind nicht der Norm entspricht, wird es als Störfaktor empfunden. Für autistische Kinder braucht es einfach speziell ausgebildetes Personal und PädagogInnen.

Kennst du einen Autisten, kennst du einen Autisten.

– Elisabeth –

Inklusion

Das Thema Inklusion beschäftigt die Familie, seit Samuel auf der Welt ist. Der Inklusionsgedanke an sich ist ja toll, aber nicht für jedes Kind mit Behinderung gleich umsetzbar. Als Beispiel: Kinder mit Down-Syndrom sind sehr gesellig und zugewandt, hier macht der Inklusionsgedanke absolut Sinn. Bei einer Störung wie Autismus ist das Spektrum einfach zu weitläufig. Es gibt autistische Kinder, die mit Lärm und zu großen Klassen überfordert sind und dementsprechend auch extra gefördert werden müssen. Kinder mit frühkindlichem Autismus brauchen Strukturen. Als letztes Jahr die Schulen schließen mussten, waren Sonderschulen von dieser Regelung ausgenommen. Distance Learning oder ähnliches funktioniert mit autistischen Kindern nicht.

Autismus
In der Natur kann Samuel er selbst sein

Die Familie ist viel draußen unterwegs, Samuel ist ein sehr lautes Kind. Er spricht zwar nicht, drückt seine Freude aber durch laute Geräusche und Quietschen aus. Elisabeth wohnt mit Mann, Sohn und Tochter auf knapp 70m2, hier ist die Lautstärke ein großes Problem. Ihr Mann ist im Außendienst unterwegs und kennt ganz Kärnten wie seine Westentasche. Deshalb fahren sie immer wieder an Plätze, wo Samuel einfach er selbst sein kann, herumlaufen und laut sein.

Alltag mit einem autistischen Kind

Der gemeinsame Alltag ist stark an Samuels Bedürfnisse angepasst. Früher hat Elisabeth darunter gelitten, nicht einfach so zu Freunden gehen zu können oder in Geschäften von Menschen herabfällig gemustert zu werden, weil Samuel mal wieder besonders laut war. Das Problem ist ja, dass man einem Kind den Autismus nicht ansieht. Deshalb ist ein Kind, wenn es lauter ist als die Norm, gleich einmal unerzogen. Manchmal hat sich Elisabeth sogar gewünscht, dass man Samuel seine Beeinträchtigung ansehen würde, damit sie sich nicht immer hätte erklären müssen.

Samuel hat durch den Kindergarten und auch die Schule viel gelernt. Auch die Autismustherapie, zu der er seit vier Jahren geht, hat zu einer positiven Entwicklung beigetragen. Aber seine laute Freude wird er wohl nie verlieren.

Autismus
Eltern eines autistischen Kindes sein

Elisabeth und Stefan sind seit 10 Jahren zusammen und seit 2020 verheiratet. Vor 8 Jahren kam Samuel auf die Welt, die Tochter hat Elisabeth aus einer früheren Beziehung in die Familie gebracht. Als Samuel die Diagnose erhalten hat, war es natürlich für alle erstmal ein Schock. Wie wird das Familienleben weitergehen und was wird sich ändern? Stefan und Elisabeth war von Anfang an klar, sie sind ein Team und werden auch diese Situation gemeinsam leisten. Die Beziehung ist seitdem sogar stärker geworden, Stefan geht toll mit Samuel um. Manchmal ist Stefan sogar zu gutmütig und Elisabeth muss ein Machtwort sprechen. Die Zeit zu zweit bleibt natürlich auf der Strecke, der Fokus liegt ganz klar auf Samuel, das mussten sie akzeptieren. Trotzdem funktioniert ihre Beziehung. Wenn der eine Unterstützung braucht, fängt der andere ihn auf und umgekehrt genauso. Jeder hat seine Phasen, aber sie lieben sich und kommen gemeinsam durch.

Holt euch Hilfe in Form von Elterncoaching! Man muss nicht mit jeder Situation allein fertig werden.

– Elisabeth –

Learnings

Man darf mit der Diagnose auch als Eltern zu kämpfen haben! Man muss sich darauf einstellen, dass man mit dem Kind einen Weg gehen wird, der vielleicht etwas schwieriger oder auch steiniger sein kann. Aber es ist immer noch dein Kind und die Reise wird, so oder so, wertvoll und schön sein. Man wächst als ganze Familie an dieser Aufgabe, man kann keinen 5-Jahres-Plan für sein autistisches Kind erstellen. Zu Beginn wollte Elisabeth unbedingt, dass Samuel mit ihr spricht und sich verständigen kann. Jetzt ist ihr nur noch wichtig, dass er glücklich und fröhlich ist und ein schönes Leben hat.

Und ein weiterer Tipp: Elterncoaching! Man kann als Elternteil nicht sofort wissen, wie man am besten mit seinem autistischen Kind umgeht. Man lernt im Elterncoaching, warum das Kind so ist, wie es ist und warum es tut, was es tut. Sich Hilfe zu holen ist wichtig und notwendig!