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„Eltern werden ist nicht schwer, Eltern sein dagegen sehr“ … und das besonders, wenn man kein Paar mehr ist. „

– Dagmar Bojdunyk-Rack – 

Wir haben Dagmar Bojdunyk-Rack, Geschäftsführerin der RAINBOWS-Österreich gem. GmbH, zum Interview getroffen.

RAINBOWS unterstützt und berät Kinder und Eltern vor, während und nach einer Trennung oder Scheidung.

 Im Jahr 2020 betrug die Gesamtscheidungsrate in Österreich knapp 40%. Was sind die häufigsten Ursachen dafür? Warum lassen sich Paare/Ehepartner trennen/scheiden?

Die häufigsten Gründe, die wir beobachten können, sind:

  • Paare entwickeln sich auseinander
  • fehlende bzw. nicht wertschätzende Kommunikation
  • finanzielle Probleme
  • Untreue, Lieblosigkeit, Streit, kein Verständnis und keine Unterstützung
  • Routine
  • emotionale Distanz der Partner
Worauf muss man als Elternteil besonders achten, wenn man sich trennt/scheiden lässt? Welche Fehler werden von Eltern oft begangen?

Die Trennung/Scheidung stellt ein Kind in jeder Entwicklungsphase vor große Heraus­forderungen. Gleichzeitig bedeutet sie für alle Beteiligten eine Chance: Für die Eltern die Chance auf mehr Lebenszufriedenheit und für die Kinder die Chance auf günstigere Entwicklungsbedingungen im Vergleich zur bisherigen „Konfliktfamilie“. Um diese Chance nützen zu können, müssen die betroffenen Kinder von ihren Eltern Hilfestellungen bekommen. Hilfestellungen, die nicht nur mit der Trennung/Scheidung zu tun haben, sondern auch mit den, für die jeweilige Altersstufe, anstehenden Entwicklungsaufgaben.

Wie belastet die Kinder aus diesen Situationen hervorgehen, hängt sehr vom Umgang der Erwachsenen mit diesen ab. Die Bewältigung der Trennung/Scheidung kann auch dadurch erschwert werden, dass die Erwachsenen selbst tief verletzt sind, sich schuldig, allein gelassen oder insgesamt durch die neue Situation ge- oder überfordert sind. In dieser Lebensphase können sie sich nicht immer in ausreichendem Ausmaß um die Sorgen, Nöte und Bedürfnisse ihrer Kinder kümmern. Der Wunsch der Eltern, Kinder möglichst „herauszuhalten“, ist gut verständlich, aber gerade dieser verringert oft die Chance, dass Kinder die Trennung/ Scheidung gut bewältigen.

Was brauchen Kinder?

  • Sofortige und korrekte Informationen darüber, was passiert ist, was sich für sie verändern wird, wie ihre Zukunft aussehen wird.
  • Begleitung durch das Gefühlschaos
  • Die Möglichkeit, Fragen stellen zu können und klare, dem Alter ent­sprechende Antworten zu erhalten. Phantasien und Ängste sind bedrohlicher als die Realität!
  • (Soweit wie möglich) Regression zulassen! Die meisten Kinder fallen auf Grund ihrer Ängste in ihrer Selbstständigkeit, Frustrationstoleranz, ihren Bedürfnissen und/oder Leistungen vorübergehend auf eine frühere, schon überwundene Entwicklungsstufe zurück. Sie brauchen das, um sich psychisch gewissermaßen wieder „aufrüsten“ zu können.
  • Damit Kinder trauern können, brauchen sie als Vorbild Erwachsene, die dem Kind auch ihre Trauer zeigen (Eltern sind ein Trauermodell für ihre Kinder).
  • Den Kindern soll erklärt werden, dass es verschiedene Arten von Liebe gibt (die Liebe zum Partner ist eine andere als die zu den Eltern oder zu Geschwistern). Automatisch stellen Kinder sonst die Frage, wann die Liebe zu ihnen aufhört!
  • Bezugspersonen inner- oder außerhalb der Familie, die sie trösten und auf die sie sich verlassen können. Wichtig ist, die Kinder beim Aufbau neutraler, entlastender Beziehungen zu unterstützen.
  • Erlaubnis, beide Elternteile lieben zu dürfen und regelmäßigen Kontakt zu beiden!
  • Die Möglichkeit, Bereiche seines Lebens mitzuplanen und gehört zu werden – Kinder sind sehr kreativ und können Entscheidungen, an denen sie mitbeteiligt waren, leichter mittragen.
  • Das Kind soll – wenn möglich – die Vertrautheiten des Alltags, die Wohnsituation, Schule und Freund*innen behalten dürfen (Alltagsrituale beibehalten)
Wie reagieren Kinder generell auf die Scheidung? Welche unterschiedlichen Reaktionen haben Sie erlebt?

Eine Scheidung/Trennung ist eine psychische Erschütterung, auf die Kinder reagieren müssen, auch wenn die Reaktionen sehr unterschiedlich sind. Diese stellen aber keine Verhaltensauffälligkeiten oder psychischen Auffälligkeiten dar, sondern sind gesunde Reaktionen auf ein irritierendes Erlebnis. Es sind aber nicht nur Reaktionen, sondern auch Aktionen, die der Wiedererlangung des psychischen Gleich­gewichts dienen. Sie können als Versuch der Kinder sich den veränderten Lebensumständen anzupassen und die Herausforderungen zu bewältigen, angesehen werden – sind daher wichtig, gesund und normal! Die Symptome des Kindes müssen als Sprache des Kindes verstanden werden, die seinen seelischen Zustand ausdrückt.

Mögliche Reaktionen der Kinder und Jugendlichen

  • Aggression (gegen Gleichaltrige, gegen Erwachsene, gegen sich selbst)
  • Weinerlichkeit, depressive Verstimmungen, Depression
  • Regression (Rückfall in eine frühere Stufe der Entwicklung, z.B. auch Einnässen, nicht alleine sein wollen …)
  • Psychosomatische Auffälligkeiten (Bauchweh, Bettnässen, Kopfschmerzen)
  • Lern- und Konzentrationsschwierigkeiten, Leistungsabfall und -verweigerung in der Schule und allgemein
  • Einschränkung von Kontakten aller Art bis zur Isolation (Rückzug von Familie und Gleichaltrigen)
  • Allgemeine Ängste (z.B. Angst vor dem Verlassenwerden…)
  • Nicht-Reaktion (unauffällig, sogar „braver“), Überanpassung

Grundsätzlich finden sich oben genannte Reaktionen in allen Altersstufen in unterschiedlicher Ausprägung.

Wann wurde RAINBOWS ins Leben gerufen und was macht RAINBOWS so besonders?

RAINBOWS wurde 1991 in Österreich gegründet und wird in allen Bundesländern angeboten. Seit dem Start wurden über 30.000 Kinder und Jugendliche nach Trennung/Scheidung begleitet. Unser Ziel ist, die betroffenen Kinder in ihrer Persönlichkeit zu stärken, ihnen den Umgang mit den Veränderungen und dem Verlust der vertrauten Familiensituation zu erleichtern. So wird die Entwicklung von positiven Zukunftsperspektiven gefördert und die Annahme der veränderten Familiensituation ermöglicht.

RAINBOWS arbeitet präventiv und ist ein (gruppen)pädagogisches Angebot, das heißt, alle Reaktionen, die Kinder und Jugendliche zeigen sind gesund und normal und sich nicht Ausdruck einer pathologischen Entwicklung. Die unterschiedlichen Zugänge und Methoden in der Arbeit, sei es kreativ, spielerisch, körperorientiert oder auch über das Gespräch, ermöglichen die Bearbeitung des Trennung auf allen Ebenen. Das heißt, sie fördern auch die Resilienz der Kinder.

Wie sieht eine Beratung/Betreuung durch RAINBOWS bei der Trennung der Eltern für Kinder/Jugendliche aus?

Kinder

In RAINBOWS-Gruppen (ca. 4 Kinder), die sich 12x (1x in der Woche) treffen, werden die Kinder unterstützt, alles was sie im Zusammenhang mit der Trennung beschäftigt, worüber sie sich Sorgen machen, was sie traurig oder wütend macht, auszudrücken. Dies kann im Gespräch sein, durch Bewegung oder auch spielerisch oder im kreativen Tun. Geleitet werden die Gruppen von ausgebildeten Gruppenleiter*innen. Vertrauen und Vertraulichkeit spielen dabei eine wesentliche Rolle. Wir sagen den Kindern gleich zu Beginn, dass alles, was sie erzählen, in der Gruppe bleibt. Das ist oft eine große Erleichterung für sie, weil sie trotz der Enttäuschung und der Wut auf ihre Eltern, niemandem weh tun wollen. Der Blick richtet sich in die Zukunft, denn RAINBOWS kann Geschehenes nicht rückgängig machen, aber wir können die Kinder stärken und ihnen dabei helfen, positive Zukunftsperspektiven zu entwickeln, trotz der Belastungen, denen sie ausgesetzt sind.

In 3 begleitenden Elterngesprächen erfahren Eltern, was sie in dieser schwierigen Zeit für ihre Kinder tun können. Für Jugendliche zwischen 13 und 17 Jahren werden spezielle YOUTH-Gruppen angeboten! Wenn die momentane Belastung aufgrund der Trennung sehr hoch ist, so kann ein Kind – bis zum Start der nächsten Gruppe – einige Male einzeln begleitet und dadurch entlastet werden.

Beratung für Eltern vor/während und nach der Trennung/Scheidung

Eltern werden ist nicht schwer, Eltern sein dagegen sehr“ … und das besonders, wenn man kein Paar mehr ist. Eltern lieben ihre Kinder und wollen nur das Beste für sie – ob sie zusammen sind oder getrennt. Wenn Eltern sich trennen, bleiben die Bedürfnisse ihrer Kinder aber oftmals ungesehen.

RAINBOWS ist für Eltern in diesen Lebenssituationen da. Die Mitarbeiter*innen wissen von den Buben und Mädchen, welche Gefühle überhand nehmen, wenn Kinder mit der Trennung ihrer Eltern konfrontiert werden. Die durch viel Erfahrung ein feines Gespür dafür entwickelt haben, wie Kinder in ihrem Trennungsschmerz unterstützt werden können. Und die auch wissen, was für Folgen es haben kann, wenn die Kinder in ihrem Schmerz, ihren Zweifeln und in ihrer Unsicherheit allein gelassen werden und die aufgrund ihres Erfahrungsschatzes auch kompetent auf individuelle Fragen reagieren können.

RAINBOWS bietet auch Begleitung nach dem Tod oder bei lebenslimitierender Erkrankung eines nahestehenden Menschen an.

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