Nach jedem Sturm folgt ein Regenbogen: Von Sternen- und Regenbogenkindern
Hey, ich bin Sabrina Zisch-Ortner, 38 Jahre alt, seit 11 Jahren mit meinem Mann verheiratet und Mama von zwei Söhnen. Und Mama von zwei Sternchenkinder. Kinder, die das Licht der Welt nie erblickt haben, sondern die ich durch eine Fehlgeburt verloren habe. Mit euch spreche ich über meine Erlebnisse und was mir wieder Kraft gegeben hat.
Unser Plan vom Leben
Während meines Auslandssemester 2008 in den USA habe ich meinen Mann kennengelernt. Für alle überraschend, aber man weiß nie, wo die Liebe hinfällt. Auf so vielen Ebenen schwebten und schweben wir immer noch auf einer Wellenlinie und so waren die Zukunftspläne von Familie, Kindern und Leben schnell besprochen. Zurück in Wien arbeitete ich anfangs in einem kleinen Familienbetrieb. Mit meinem Partner bin ich in der Weltgeschichte herumgereist und wir haben unsere Zweisamkeit für ein paar Jahre genossen. Nach unserer letzten großen Reise, nach Indien, war plötzlich der Zeitpunkt gekommen. Das Fernweh war nicht mehr da. Ich wollte nicht mehr wegfliegen. Ich wollte zuhause bleiben. Nach ein paar Gesprächen war uns klar: Das war der Startpunkt für unsere Familiengründung.
Meine Fehlgeburt – Sternchen 1
Ich bin gleich sehr schnell schwanger geworden. Überraschenderweise. Man hört doch öfters, dass es mehrere Monate dauern kann. Jedoch währte die Freude darüber nicht sehr lange, denn in der 9. Woche habe ich unser Kind verloren. Ganz offen gesagt, es hat mich nicht so hart getroffen. Es flossen Tränen, keine Frage, aber ich verkraftete es recht schnell. Auch weil ich wusste, dass meine Mama und auch meine Oma 2-3 Fehlgeburten in ihrem Leben hatten. Das wurde einmal so nebenbei erwähnt. Ihm keine große Beachtung geschenkt. Es eher unter den Teppich gekehrt. So auch bei uns. Ein paar wenige wussten davon. Aber es wurde ihm nicht weiter Beachtung geschenkt. Zum damaligen Zeitpunkt wusste ich auch noch nicht, was Sternen- und Regenbogenkind bedeutet.
Meine Fehlgeburt – Sternchen 2
Die zweite Schwangerschaft verlief reibungslos und mein ältester Sohn wurde geboren. Ein paar Monate später war ich wieder schwanger. Nach 20 Monate als Einzelkind war es dann so weit, das Geschwisterchen machte sich auf den Weg und unser zweiter Sohn kam auf die Welt. Da wir immer schon eine Großfamilie haben wollten, starteten wir nach 1-2 Jahren den nächsten Versuch. Ein wenig hat es gedauert, aber dann hielt ich einen positiven Schwangerschaftstest in den Händen. Die Vorfreude auf das dritte Kind war riesengroß, am liebsten hätte ich die guten Nachrichten raus in die Welt geschrien. Doch einige Wochen später – an dem Wochenende vor meinem Geburtstag, an dem wir unsere Freunde fragen wollten, ob sie Taufpaten werden möchten – erlitt ich die nächste Fehlgeburt. Ich hatte starke Schmerzen, welche sich wie Wehen anfühlten und merkte, dass mein Baby gerade abgeht. Allein zuhause, hilflos, heulend am Klo sitzend. Ohne der Möglichkeit, etwas dagegen tun zu können.
Familienplanung abgeschlossen?
Mit jedem Jahr, das seither verging, kam die Frage immer wieder auf: Probieren wir es noch einmal oder nicht. Und es hatte nicht sein sollen. Wir haben zwei Burschen, auf die ich mehr als stolz bin. Die auch mir trotz aller Liebe oft den letzten Nerv rauben, aber ein weiteres Geschwisterchen wird wohl nicht dazu kommen. Obwohl wir auch Pflege und Adoption nicht ausschließen. Nur sind das Wege, über die man sich noch viel mehr informieren muss.
Sternen- und Regenbogenkinder
Erst nach der zweiten Fehlgeburt bin ich durch Zufall darauf gestoßen, was es bedeutet ein Sternenkind bzw. Regenbogenbaby zu haben. Ein Sternenkind ist ein Baby, welches durch Fehlgeburt, den Verlust während oder nach der Schwangerschaft, von uns geht. Kinder, die nach einem Sternenkind auf die Welt kommen, nennt man Regenbogenkinder. Ganz nach dem Spruch: Nach jedem Sturm folgt ein Regenbogen.
Nach jedem Sturm folgt ein Regenbogen.
– Sabrina –
Darüber sprechen
Mir ging es nach der zweiten Fehlgeburt sehr schlecht. Ich habe keinen an mich herangelassen und auch monatelang niemanden von meiner Fehlgeburt erzählt. Ich wollte nicht darüber reden. Mein Mann wusste es, aber auch nur, dass es passiert war, über meine Gefühle wollte ich mit niemanden sprechen. Doch irgendwann änderte sich das plötzlich. Ich machte den Mund auf und fing an, darüber zu reden. Und das hat gutgetan. Da habe ich erst gemerkt, wie viele Frauen das gleiche Schicksal erlitten haben wie ich.
Es passiert so viel mehr Familien als man selbst annimmt und um mir selbst zu helfen, einen Weg zu finden mit meiner Trauer umzugehen und gleichzeitig auch anderen Familien etwas geben zu können; eine Erinnerung, eine Momentaufnahme, einen Ort an denen jemand zuhört, wurden meine Regenbogenfotoshootings geboren.
„Mir ging es nach der zweiten Fehlgeburt sehr schlecht. Ich habe monatelang mit niemanden darüber geredet. Doch dann habe ich den Mund aufgemacht und gemerkt, wie gut es tut, über mein Schicksal zu sprechen. Und zu merken, ich bin nicht allein.“
– Sabrina–
Regenbogen-Shootings
Ich weiß, dass es nicht leicht ist vor die Kamera zu treten, gerade unter gewissen Vorerfahrungen, aber dieser Schritt ist so viel wert. Denn Jahre später habt ihr diesen Moment festgehalten. Ihr habt eure Familie auf Bild gebannt und könnt mit diesem Bild Lachen und Weinen. Auch Trauer darf sein. Sie muss sein. Genauso wie Freude. Freude über das neue Leben. Welches ihr ohne euer Sternchenkind nicht kennengelernt hättet. Es ist ein Mix aus den unterschiedlichsten Emotionen und Fragen. Eine davon ist: Darf ich mich über mein Regenbogenkind freuen? Weil eigentlich habe ich davor mein Kind verloren, sollte ich nicht trauern? Eine Gradwanderung an Gefühlen. Mit meinen Fotos möchte ich einfach gerne ein kleines Lächeln in schweren Momenten schenken. Und zeigen: Ja, es ist okay sich zu freuen. Es ist okay zu lachen, wenn du es möchtest. Das alles heißt nicht, dass du dein Sternchen vergisst oder weniger liebst. Es wird immer in deinem Herzen sein.
Mein Rat
Jeder Mensch ist anders und jeder Mensch muss seine eigene Art der Trauerbewältigung finden. Wichtig ist, dass man sich die Optionen offenhält und dass man weiß, welche Möglichkeiten es gibt. Mir hat es geholfen, nach meiner zweiten Fehlgeburt eine Zeitlang zu schweigen. Bis der Knoten geplatzt ist. Wenn man reden will, soll man reden. Wenn man schweigen will, soll man schweigen.
Ich kann nur aus eigener Erfahrung sagen – und ich habe bisher schon mit einigen Familien gesprochen, die das gleiche Schicksal teilen – wenn der richtige Zeitpunkt für dich gekommen ist und du fängst an darüber zu sprechen, wird es dir vermutlich Erleichterung verschaffen. Man muss es nicht mit der ganzen Welt teilen. Selbst der kleine Freundeskreis oder andere Familien, die ein Sternchen haben sind meist tolle Zuhörer. Es geht darum, dass ein Weg gefunden wird, wie man mit diesen Gedanken, Vorwürfen, die man sich selbst macht, der Trauer, der Wut, dem Frust umgehen kann. Und wie die Gefühle Achterbahn fahren, wenn man das Glück hat wieder schwanger zu sein. Ein Ventil hierzu können Fotos sein.
„Man darf sich über das gesunde Kind freuen! Das Sternchen oben im Himmel hat jetzt ein Geschwisterchen.“
– Sabrina –
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