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Auf einmal Flüchtling – Zwischen Krieg und Neuanfang

Grüß Gott! Ich bin Alisa, 35 Jahre alt  und habe 2 Töchter – 8 und 5 Jahre alt. Zu Beginn des Krieges musste ich mit meinen Kindern aus unserer Heimat, der Ukraine, nach Österreich flüchten. Ich bin eine von vielen Frauen, die mit ihren Kindern nach Österreich gekommen sind. Die ihr Leben in der Ukraine aufgeben mussten und im neuen Land vor Herausforderungen stehen, die so nicht geplant waren. Und doch sind wir unglaublich dankbar, für alle Möglichkeiten, die wir hier haben und dass wir so gut aufgenommen wurden.

„Ich bin eine von vielen Frauen, die mit ihren Kindern nach Österreich gekommen sind. Die ihr Leben in der Ukraine aufgeben mussten und im neuen Land vor Herausforderungen stehen, die so nicht geplant waren.”.

Alisa

Unser Leben in der Ukraine

Ich bin seit einigen Jahren mit meinem Mann verheiratet, wir haben uns in der Schule kennengelernt, waren sozusagen Klassenkameraden und wir vergessen fast immer, wann unser Hochzeitstag ist:) Dieses Jahr im Oktober haben wir unser 8-Jähriges. Auch zu meiner Mama habe ich ein sehr gutes Verhältnis, sie hat mich immer schon mit den Kindern unterstützt. In der Ukraine waren wir eine große und glückliche Familie, die gern und viel Zeit miteinander verbracht hat. Meine Eltern, Opa und Oma, waren immer für ihre Enkelkinder da.

In der Ukraine war unser Alltag sehr durchgeplant, meine zwei Töchter haben viele Hobbies. Tennis, Schwimmen, Ballet, Klavierspielen, Eiskunstlauf, um nur ein paar davon zu nennen, und das alles nach dem Kindergarten oder der Schule.

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Die Flucht

Das Schlimmste für mich als Mama war es, meine Kinder so aus ihrem Alltag zu reißen. Sie haben nicht verstanden, warum wir so schnell aus der Ukraine flüchten müssen. Plötzlich war ihr ganzes soziales Umfeld weg, es waren für eine ganz lange Zeit nur meine zwei Töchter und ich. Mein psychischer Zustand war miserabel, ich konnte teilweise nur weinen und durch Nachrichten auf Telegram scrollen. Und das haben meine Kinder natürlich mitbekommen. Zur Ablenkung durften sie, ohne Zeitlimit und Kontrolle, auf Tablets und Handys herumspielen, wir hatten einfach keine Kraft, andere Beschäftigungen für sie zu organisieren.

Die deutsche Sprache

Ich habe in Deutschland studiert und kenne daher die Sprache. Es war mir immer schon ein Anliegen, der Welt zu zeigen, wie schön die deutsche Sprache ist und sie auch in mein Land bringen. Ich habe in der Ukraine Online-Deutschkurse angeboten und versucht, mir eine Personal Brand als “Die Deutschtrainerin” in meiner Heimatstadt aufzubauen. Im Moment habe ich auch in Wien die Möglichkeit, das zu machen, was ich kann. Ich bringe ukrainischen Jugendlichen in einem Kurs Deutsch bei, das macht mich sehr glücklich. Als Gruppenleiterin bekomme ich hautnah mit, wie viele Probleme die Jugendlichen haben. Ich finde es unglaublich wichtig, dass die ukranischen Jugendlichen eine Möglichkeit haben, weiter in die Schule gehen zu dürfen und sich untereinander austauschen zu können.

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Unsere momentane Lage

Meine Mama sowie meine jüngere Schwester sind im Moment auch in Wien und sind meine größte Stütze, jetzt noch mehr als in der Ukraine. Ich merke auch, wie gut es meiner Mama tut, so viel Zeit mit meinen Kindern zu verbringen. Sie helfen ihr, das Gefühl zu haben, eine wichtige Rolle zu erfüllen – Als Oma der Kinder. Sie geht zum Beispiel jeden Tag mit meiner älteren Tochter zum Eiskunstlauf-Training.

Mein Vater, unser Held

Mein Vater, unser Held, wird wegen des Kriegs seit 6 Monaten vermisst. Diesen Verlust zu verarbeiten, ist für uns alle das Schwierigste. Vor allem für meine Kinder. Meine jüngere Tochter versteht die Situation nicht ganz und träumt immer davon, welche Spielplätze sie mit ihrem Opa in Wien besuchen wird. Doch es ist auch Wut in uns, mit der wir alle umgehen müssen. Man kann nicht alle negativen Gefühle unterdrücken, man muss lernen, mit ihnen umzugehen. Und man darf auch wütend sein. Ich finde, dass Kinder uns allen die Kraft geben weiterzumachen und nicht aufzugeben. So plakativ es klingt, man steht jeden Tag auf und meistert den Alltag, man nimmt die Rolle der Mama oder Oma ein und hat eine Aufgabe.

„Mein Vater, unser Held, wird wegen des Kriegs seit 6 Monaten vermisst. Diesen Verlust zu verarbeiten, ist für uns alle das Schwierigste. Vor allem für meine Kinder.“

Alisa

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Dankbarkeit

Wir sind sehr dankbar für alle Möglichkeiten, die wir hier haben. Ich sehe, wie gut meine Kinder es hier in Österreich haben und wie toll wir aufgenommen wurden. Die ältere Tochter besucht eine ganz normale Grundschule. Und sie hat ihre Lieblingsbeschäftigung nicht aufgegeben. Sie geht jeden Tag mit ihrer Oma zum Eiskunstlauf-Training und nimmt sogar an Wettbewerben teil. Meine jüngere, ein bisschen wildere Tochter, hat einen Platz in einem passenden Waldorfkindergarten bekommen. Wir sind sehr oft draußen und erkunden die schönen Orte Österreichs. Wir verbringen ganz viel Zeit in der Natur. Ich bin froh, dass die Kinder es so gut haben und dass ich arbeiten kann. Ich habe vor, in der Zeit nicht nur abzuwarten, sondern weiter zu leben und mein Leben so schön wie möglich zu gestalten.

Mein Wunsch

Ich wünsche uns nichts anderes, als wieder nach Hause zurückzukehren. Aber bis dahin sammle ich Erfahrungen, die ich sonst im Leben nie hätte machen können. Ich gehe über meine Grenzen, vernetze mich und finde gute Freunde.

„Wir sind sehr dankbar für alle Möglichkeiten, die wir hier haben. Ich sehe, wie gut meine Kinder es hier in Österreich haben und wie toll wir aufgenommen wurden.“

Alisa