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Anne Matthes ist zertifizierte Selbstbehauptungs- und Resilienztrainerin für Kinder und Jugendliche und unterstützt und stärkt Kinder und Jugendliche dabei, besser mit Konflikten umgehen zu können.

Was versteht man unter Mobbing? Wo hört die Rauferei auf und wo fängt Mobbing an?

Zu Mobbing zählen Dinge wie beispielsweise: Beleidigungen, Ausgrenzung, Bloßstellung, Diskriminierung, Verleumdung und Ähnliches. Kommt es in einer Konfliktsituation wiederum zu physischer Gewalt, so ist dies ganz klar Körperverletzung und gehört gemeldet.

Es gibt dazu auch offizielle Definitionen, laut denen Mobbing eine Form der psychischen Gewalt ist. Diese wird über einen längeren Zeitraum, wiederholt und regelmäßig gezielt auf eine Einzelperson ausgeübt.

Doch was bedeutet ein längerer Zeitraum genau?

In meiner Betrachtungsweise lässt sich dies nicht pauschalisieren. Denn schließlich sind wir Menschen alle individuell und haben unterschiedliche Empfindungen. So leidet ein sensibles Kind eventuell schneller unter Beleidigungen und Ausgrenzung als ein Kind, das bereits eine gewisse psychische Widerstandsfähigkeit besitzt. Das heißt, Mobbing ist ein individuell gefühlter Prozess und daher ist es wichtig, sich nicht an Definitionen aufzuhalten, sondern rechtzeitig zu reagieren.

Um genau dies tun zu können, ist es aber auch wichtig, dass die Anzeichen von Mobbing erkannt werden. Denn nicht selten wenden sich betroffene Kinder aus einem Schamgefühl oder der Angst, dass es noch schlimmer werden könnte, nicht an Erwachsene. Ich empfehle daher, aufmerksam für Verhaltensänderungen bei Kindern zu sein und spielerisch immer wieder ins Gespräch zu treten.

Mögliche Anzeichen können beispielsweise sein:

  • verstärkte Anhänglichkeit,
  • Steigerung von Schüchternheit und Unsicherheiten,
  • Abfall von Schulleistung bis hin zu Schulverweigerung,
  • eine soziale Isolierung,
  • körperliche Anzeichen wie Kopf- oder Bauchschmerzen,
  • Schlafstörungen und Alpträume,
  • verminderte Nahrungsaufnahme und Ähnliches.
Wie kann man als Eltern Kindern helfen, die von ihren Klassenkameraden gemobbt werden?

Das Wichtigste ist, das Kind ernstzunehmen und zu Hause einen sicheren Hafen zu bieten. Denn leidet ein Kind unter Mobbing, so ist dies eine extreme Stresssituation. Umso wichtiger ist es dann, dass das Kind bei der Familie einen Ort hat, wo es sich sicher und geborgen fühlt sowie die Chance hat, seine Energie aufzuladen.

Eltern von betroffenen Kindern können ihr Kind weiterhin unterstützen, indem sie es von innen heraus stärken und Selbstliebe fördern. Dankbarkeitsrituale sowie Erfolgserlebnisse können beispielsweise helfen, den Fokus neu auszurichten. Dies bedeutet natürlich nicht, dass über negative Erlebnisse nicht geredet werden darf, ganz im Gegenteil. Aber durch die Änderung des Blickwinkels verändert sich auch die Gewichtung wieder und man gibt dem Kind die Chance, wieder eine neue Balance zu finden.

Abgrenzung

Ebenfalls können Eltern ihr Kind dafür sensibilisieren, dass es frei entscheiden kann, welche Worte es ins Herz lässt und welche nicht. Denn Worte können durchaus verletzen, doch nicht jedes gesagte Wort ist richtig und deshalb auch nicht wichtig. Diese Abgrenzung sowie der Fokus auf das Gute im Leben, wie beispielsweise Freunde, Familie und die eigenen Stärken, sind wichtige Hilfsmittel in einem Mobbingfall und können auch präventiv genutzt werden.

Je nach Ausmaß und Schweregrad des Mobbingfalls kann es aber auch notwendig sein, sich externe Hilfe zu holen. Dies kann ebenfalls für die Eltern selbst hilfreich sein, da sie sich in einer solchen Situation auch schnell überfordert fühlen können.

Kann Mobbing ein Kind in der Entwicklung nachhaltig gefährden?

Ganz klar ja, denn vor allem im Kindesalter wird die Persönlichkeit sowie das damit verbundene Selbstbild stark geprägt. Sammelt ein Kind in dieser Entwicklungsphase also dementsprechend schlechte Erfahrungen und ist es emotional belastenden Ereignissen immer wieder ausgesetzt, so kann das nicht nur ein geringes Selbstwertgefühl bewirken, sondern durchaus auch die Entwicklung einer gesunden Psyche gefährden. Ebenfalls ist es möglich, dass sich als Langzeitfolge Defizite im sozialen Umgang entwickeln, welche auch zwischenmenschliche Beziehungen erschweren können.

Mein Kind mobbt andere Kinder – Woher kommt das und wie kann ich als Eltern dagegen wirken?

In diesem Fall ist es wichtig, mit dem Kind in Verbindung zu treten und es nicht zu verurteilen oder es mit Strafen zu belegen. Denn wenn ein Kind mobbt, steckt meist ein unbefriedigtes Bedürfnis dahinter, welches es versucht zu stillen. Das kann zum Beispiel das Bedürfnis nach Aufmerksamkeit oder Zugehörigkeit sein. Diese Bedürfnisse sind nicht verkehrt, lediglich die Strategie, die das Kind nutzt, ist nicht richtig. Ein verbindendes Gespräch kann dann helfen, den wahren Hintergrund für das Mobbing herauszufinden und gemeinsam alternative Handlungsstrategien zu entwickeln sowie zu üben.

Stichwort Cybermobbing – Welche Maßnahmen gibt es hier? Was kann man dagegen tun?

Generell gelten hier die gleichen Strategien wie bei Mobbing im Allgemeinen. Es besteht wieder die Frage, worauf richte ich meinen Fokus und welche Wertigkeit gebe ich den Worten? Der einzige Unterschied ist, dass man sich das Problem quasi mit nach Hause nimmt und dem Ganzen somit durchgängig ausgesetzt ist. Aber auch hier gilt es Prioritäten zu setzen und eine Entscheidung zu treffen. Denn wenn mir etwas wirklich nicht gut tut und ich es auch nicht schaffe, mich von dem Geschriebenen abzugrenzen, dann habe ich immer noch die Wahl, diese Situation zu verlassen. Das heißt, die App oder den Social Media Account zu löschen.

Für Eltern ist es bei dem Thema Cybermobbing aber vor allem wichtig, präventiv zu handeln und bereits vor der Mediennutzung eine klare Regelung zu Inhalten und Aktivitäten aufzustellen. Ebenso ist es wichtig, ihre Kinder über den Umgang  und auch über die möglichen Konsequenzen aufzuklären. Das heißt, dass Eltern sich eine gewisse Medienkompetenz aneignen sollten, sodass sie ihr Kind optimal begleiten können.

Was lernen Eltern und auch Kinder in deinen Kursen? 

In meinen Kursen bringe ich den Kindern bei, mit alterstypischen Konfliktsituationen umzugehen. Das heißt, sie lernen spielerisch und praxisnah den Umgang mit Beleidigungen sowie was sie tun können, wenn ihnen Dinge weggenommen werden. Außerdem spreche ich mit den Kindern über Gefühle und erkläre ihnen, dass es wichtig ist, auf diese zu hören, da sie unsere Wegweiser im Leben sind.

Doch in jeder der Übungen, die ich mit den Kindern mache, steckt so viel mehr und eigentlich lernen sie fürs Leben. So erfahren sie beispielsweise auch, wie wichtig es ist, Entscheidungen zu treffen, Ziele zu verfolgen und erfahren, was gute Energiequellen sind.

In einem Elterngespräch nach dem Kurs, stelle ich den Eltern dann das vor, was die Kinder gelernt haben und gebe ihnen noch hilfreiche Tipps, wie sie auch zu Hause ihre Kinder stärken können. Das hilft ihnen dabei, die Kinder zu unterstützen, das Gelernte auch langfristig in den Alltag zu integrieren und erfolgreich umzusetzen.

🌈Unverwüstlich🌈